Es muss auch mal menscheln
Wenn jemand sagt es menschelt, ist meist eine Nähe, ein Geruch, das Zusammensein, aber auch das Leben in seiner Vielfalt auf engerem Raume gemeint. Laut wiktionary: typisch menschliche Züge und Mitmenschlichkeit.
Das Wort kommt mir in der letzten Zeit immer häufiger in den Sinn. Gerade, weil ich registriere wie viel Geld und Zeit in die Förderung der digitalen Zukunft gesteckt wird. Nachdem ich die Nachricht eines jungen Menschen auf Twitter gelesen habe, war es soweit: Jetzt musste der Beitrag einfach raus.
Besagter junger Mensch schrieb: Eine Videokonferenz wäre in einer Sekunde entstanden, aber Merkel fliegt neun Stunden nach Washington.Was jetzt folgt ist keine Bewertung der Person, mit der sich Frau Merkel getroffen hat. Aber diese Bemerkung zeigt mir, dass etwas sehr Wichtiges nicht mehr im Bewusstsein der jüngeren Generation verankert ist:
Menschen müssen sich auch mal real gegenübersitzen und zusammen sprechen!
Es muss auch mal menscheln! Immer öfter ist die trennende Technik bei der Kommunikation dazwischen geschaltet. Ja ich weiß auch, dass Technik verbindet, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Persönliche Treffen, bei denen ich die andere Person berühren, riechen und mich dem Sprechtempo und den Bewegungen anpassen kann, sich höflich ein Wasser anbieten, etc..
All diese Dinge kann ich ungefiltert aufnehmen, und sie sind ungemein wichtig für einen Gesamteindruck. Das können Skype, Videokonferenzen und Mobiltelefone nicht ersetzen.
Politiker und Manager treffen sich nicht aus Langeweile persönlich. Hier ist das Wissen vorhanden, dass man sich Live gegenübersitzen muss, gerade wenn es um schwierige Verhandlungen geht, bei denen die kleinste menschliche Regung vom Unterbewusstsein aufgenommen und auch verwertet werden kann. Da ist auch Intuition gefragt.
Gerade hier sehe ich bei der jüngeren Generation ein Defizit.
Schon in jungen Jahren finden Treffen, außer in der Schule kaum noch statt. Doch wir sind im Leben nun mal von Menschen umgeben.
Die persönlichen Treffen werden unterschätzt, und gerade die jungen Menschen haben Schwierigkeiten dahingehend Kompetenzen zu entwickeln. Die Vorbereitung auf die digitalisierte Welt ist selbstverständlich wichtig, doch Kompetenzen in Bezug auf persönlichen, direkten Kontakt zu anderen zu entwickeln mindestens genauso. Wo ist hier die Förderung?
Grundschulen werden mit Computern ausgestattet, wo bleibt die Schulung der Soft Skills? Wir leben und arbeiten als Menschen zusammen, das erfordert andere Kompetenzen als wischen und tippen.
Einfach mal anders
Manuela Bach : eyewall
Guten Morgen Manuela,
danke dass Du dieses wichtige Thema ansprichst. In einem Punkt decken sich meine Erfahrungen (ich bin 59) nicht (ganz) mit Deinen Aussagen: die vielen jungen Menschen (unter 30) um mich herum, die in der Softwareentwicklung tätig sind, sind sehr aufmerksam und feinfühlig was das persönliche Gespräch und das mit- und voneinander Lernen betrifft. Auch wenn Sie natürlich moderne Technik wie WhatsUp benutzen, ziehen sie den persönlichen Kontakt vor und pflegen diesen. Ich erlebe diese Generation auch viel interessierter am Austausch mit allen Generationen. Schlechtere Erfahrungen mache ich mit manchen „Mittelalten“ die nur Fakten akzeptieren und die kann man auch per Mail senden. Auch in den Schulen hier vor Ort sehe ich viele engagierte LehrerInnen, die wissen worauf es ankommt egal ob ein PC dasteht oder nicht. Wahrscheinlich liegt die Wirklichkeit (Wahrheit?) wie so oft in der Mitte? Und natürlich ist es wichtig auf die wichtigen Werte hinzuweisen, dafür nochmals danke.
Gruß aus dem verschneiten Mittelfranken
Werner
Hallo Werner,
mir ging es in erster Linie darum, die Wahrnehmung für das Thema zu schärfen, da fast nur noch über die Digitalisierung gesprochen wird. Auch ich sehe in den Menschen unter 30 die Chance, doch das „Mittelalter“ ist ganz arg gefährdet.
Herzlichst
Manuela