Warum gibt es kein Artenschutzprogramm für die Stille?
19. Dezember 2017 Privates | Manuela Bach | 0 Kommentare

Die Stille höre ich nicht mehr

Da das ungestörte Denken ein Teil meiner Arbeit als Innovationscoach und Ideenfinderin ist, bin ich oft mit meinem Hund in der Natur unterwegs. Bei einem meiner ausgedehnten Spaziergänge merkte ich es plötzlich.
Die Stille überfiel mich mit einer unheimlichen Kraft, und mir wurde schlagartig klar, dass wir sie schützen müssen.

Deshalb meine Frage: Warum gibt es kein Artenschutzprogramm für die Stille?

Ich habe ihn bereits für die Phantasie gefordert und hoffe, dadurch Phantasieschützer zu finden, doch der Stille ergeht es nicht anders: Sie muss auch wieder in unser Bewusstsein rücken. Die meisten von uns kennen sie gar nicht mehr. Achten Sie doch mal darauf. Wenn es wirklich, und ich meine wirklich still ist, haben wir zuerst ein komisches Gefühl in den Ohren. Man könnte meinen, unser Gehirn aktiviert sofort einen Suchlauf, um zu checken, ob da nicht doch ein Geräusch ist. Eventuell macht sich ein leichtes Brummen bemerkbar, oder man hört das Pochen des eigenen Pulses. Ich kann Sie beruhigen, das geht ganz schnell wieder weg.
Und dann ist sie da, die Stille.

Kein Laut, kein Brummen des fließenden Verkehrs, keine Rasenmäher, keine Flugzeuge und keine Stimmen. Man erwischt ab und zu sogar eine Zeit, in der noch nicht einmal ein Vogel zwitschert. Meldet sich dann doch einer, ist es ein klares und beruhigendes Geräusch, zu dem das Herz zu lächeln beginnt.
Gehen Sie mal ganz gezielt in die Stille. Ja, ich weiß, das ist in unserer Zeit und in unseren Breitengraden schwierig. Wohin?

Und genau hier setzt meine Überlegung an: Wir brauchen ein Artenschutzprogramm für die Stille. Orte, an denen keine Maschinen rauschen dürfen, keine Menschen, die in ihre Handys plappern, als ob sie allein auf der Welt wären, keine Soundsysteme, einfach Stille. Sie ist ein Genuss für den Kopf, und unsere Wahrnehmung wird auf andere Dinge gelenkt. Die Augen nehmen das Umfeld ganz intensiv wahr. Die Nase riecht, wie ein frisch gepflügter Acker duftet. Sollten Sie in einen Apfel beißen, erleben Sie, wie sich so eine Bissexplosion anhört und wie sich der Geschmack ungestört im Mund ausbreitet.

Genuss pur, der durch Stille intensiver wird.

Das droht verlorenzugehen, da es kaum noch Orte der Stille gibt. In den Städten kann man sie in den Kirchen außerhalb des Gottesdienstes finden. Ich habe meine Stille in den Weinbergen gefunden, wenn sie ruhen und nicht bearbeitet werden. Im Sommer sind es die frühen Morgenstunden, im Winter habe ich den ganzen Tag zur Verfügung. Es gehört Achtsamkeit dazu, sie zu finden, aber ich sage Ihnen: „Es lohnt sich!“ Versuchen Sie es! Sie könnten auch Tage der Stille in Klöstern verbringen, die sich für Gäste geöffnet haben.
Wie wäre es, wenn unsere Landesminister in jedem Bundesland ein Schutzgebiet für die Stille ausweisen würden? Für jedes neue Baugebiet müsste eine Ausgleichsfläche der Stille her. Klingt vielleicht utopisch, doch wäre es nicht schon längst Zeit, diesen Aspekt ins Auge zu fassen?

Was ist denn in der heutigen Zeit noch wirklich luxuriöser Genuss?
Für mich sind es Dinge wie Stille, Phantasie oder Gespräche, die Auge in Auge geführt werden und bei denen man die winzigsten Nuancen des Gegenübers wahrnimmt.
All das darf nicht entschwinden, nur weil derzeit unser Hauptaugenmerk auf die Digitalisierungswelle gelenkt wird.

Unsere Sinne möchten gehegt und gepflegt werden, wir haben sie nicht umsonst bekommen.

Oder sollen wir an unseren Computern riechen, nur noch in Fertigprodukte mit manipulierten Geschmacksträgern beißen und uns von Verkehrslärm, Serien und Nachrichten beschallen lassen?
Der wirkliche Genuss liegt in unseren sinnlichen Ursprüngen. Natürlich möchte auch ich nicht zurück in die Höhle, doch unsere Sinnlichkeit darf nicht abstumpfen oder ganz verloren gehen. Ach – beinahe hätte ich vergessen, Sie vor den Nebenwirkungen der Stille zu warnen: Es kann sein, dass sich Ihr Innerstes auf einmal lauter als sonst meldet. Hören Sie ihm zu, es lohnt sich!

Diesen Beitrag schrieb ich im letzten Jahr für den Blog http://www.genussliga.de

doch ich wollte ihn den eyewall Lesern nicht vorenthalten.

Nun wünsche ich an dieser Stelle einen guten Jahreswechsel und ein farbenfrohes neues Jahr.

Herzlichst

Manuela: eyewall



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert